Anton-Günter Kollmer blickt auf 30 Jahre Wiedervereinigung zurück

Die Geschehnisse in Beuren am Abend des 2. Oktober 1990 bleiben immer in seiner Erinnerung

Zum 25. Jahrestag der Wiedervereinigung im Oktober 2015 berichtete die OV mit folgender Überschrift " Deutsche Einheit bewegt Bakum und Beuren, Gemeinden feiern den 25. Jahrestag ihrer außergewöhnlichen Freundschaft - Neue Generation geht an den Start."

Anton-Günter Kollmer hat seine persönlichen Gedanken über das damalige Kommunionkleid mit der Wiedervereinigung der beiden deutschen Staaten und der Freundschaft der Kommunen in Beuren und Bakum dem Heimatverein zur Veröffentlichung zur Verfügung gestellt.

Günther Feldhaus berichtete am 16.09.20 auf unserer Internetseite, wie ein Kommunionkleid letztlich zur Freundschaft zwischen Beuren im Eichsfeld Bakum beitrug. (Zum Bericht von Günter Feldhaus)

Anton-Günter Kollmer

war häufiger mit dem Musikverein Bakum in der thüringischen Stadt Beuren im Eichsfeld zu Gast

(Anton-G. Kollmer) Denk ich an Deutschland am 03.Oktober 2020 -   denk ich als alter Bakumer  gefühlsbeladen an die Nacht der Wiedervereinigung in Beuren. Zum 75jährigen Jubiläum des Musikvereins Bakum im Jahre 1994 habe ich zum ersten Besuch in Beuren meine Gedanken in der Chronik schon mal aufgeschrieben. Heute 30 Jahre später also noch einmal.

Günther Feldhaus sagte damals der Kontakt beruhe auf einer Brieffreundschaft; entstanden aus dem Auffinden eines Luftballons mit angehängter Adresse im Garten von Familie Huke in Beuren.

Es waren Zeiten, die die begnadesten Propheten nicht vorhergesehen hatten: Die Zonengrenze und die Mauer wurden nicht mehr bewacht. Wir waren im Sommer `90 gerade zum dritten mal  Fußballweltmeister geworden. Mit Sammer, Ulf Kirsten und anderen ehemahligen DDR-Spielern sind wir lange unbesiegbar orakelte Teamchef Beckenbauer.

Anlässlich des 25. Jahrestag spielte die erste Herrenmannschaft des Sportvereins Concordia Beuren in einem Freundschaftsspiel gegen die Alt-Herren-Fußballer des Schwarz-Weiß Bakum. Es endete leistungsgerecht 4:4. Mit auf dem Foto die Bürgermeister beider Kommunen. Sowohl Tobias Averbeck als auch sein Kollege aus Beuren Uwe Kaufhold waren in ihren Sportvereinen Vorsitzende und  hüteten mehr oder wenig erfolgreich das Tor in verschiedenen Mannschaften der Vereine.

Zur gleichen Zeit überfiel Saddam Hussein den Staat Kuweit und annektierte  Ölquellen.

Und für den  Musikverein Bakum folgte am Samstag, 03.Okt.1990, dieser Fackelzug um Mitternacht von der Gaststätte Gurke  zum Kirchplatz vor St. Pankratius in Beuren. Die Gefühlsschauer, die den damals Beteiligten kreuz und quer über alle Körperteile huschten, entstehen auch heute noch - 30 Jahre später – wenn wir uns mit den Beuerschen treffen.

Die Emotionen von damals sind so unbeschreiblich, wenn DDR Grundschulklassen um Mitternacht bei sommerlichen Temperaturen Einigkeit und Recht und Freiheit...auswendig singen und dann Großer Gott wir loben Dich anstimmen.

Zum 25. Jahrestag am 3. Oktober 2015 trafen sich die Bürgermeister bereits aus der zweiten Generation nach der Wiedervereinigung in Bakum zu einem weiteren Freundschaftsbesuch. Die jungen Bürgermeister Uwe Kaufhold und Tobias Averbeck lernten sich hier näher kennen.

Das Gleiche dann noch einmal im Hochamt am folgenden Sonntag – die Tränen der Freude und von Ergriffenheit in den Augen der Gottesdienstbesucher hätte man in Kristallgläsern als „Reliquien“ in St. Pankratius auffangen sollen. Unser Nachtquartier war 1990 die Burg Scharfenstein, damals noch im vom Leben im Mittelalter geprägten Zustand, aber schon mit Doppelstockbetten der NVA. Die Erinnerung an dieses damalige zu Herzen gehende Geschehen ist der fundamentale Grund für die Freundschaft zwischen Beuren und Bakum - bis heute. Und wie lange noch?

„Da fahren wir wieder hin“ war 1990 die übereinstimmende Meinung im Bus auf der Rückfahrt vom Eichsfeld ins OM.

Häufig fanden Treffen mit Gästen aus Beuren beim Heimahof des Heimatvereins Bakum zu Gast.

Häufig war die Tanzgarde des Beurener Carnevalsvereins zu Gast in Bakum und zeigte immer wieder beeindruckend ihr Können.

Das Kloster Beuren und die Burg Scharfenstein sind beliebte Ausflugsziele in Beuren. 2014 besichtigte eine Delegation aus Bakum unter Leitung vorn Franz Hölscher dieses historischen Gebäurde.

Die Bakumer Jäger machten wenige Wochen später den Anfang mit der Reihe der vielen Besuche und Gegenbesuche auf privater Ebene und der Musikverein Bakum beteiligt sich bis in die Gegenwart an Beuerschen Festen und an Brauchtumspflege. Die Auflistung der partnerschaftlichen  Aktivitäten wäre noch eine ausstehende Aufgabe für die jüngere Generation: Kirchweihfeste, Papstbesuch in Etzelsbach mit Musikverein, Carnevalsfeiern, Geburtstage, Jubiläen, Fußballspiele, Tanzgruppen...

Noch ein Blick zurück zum Bericht von Günter Feldhaus: In diesem beschriebenen Fall zeigt sich auf wundersame Weise wie kath. Glaube – in Gestalt eines Kommunionkleides – auch „heilsam“ wirken kann auf politischen, gesellschaftlichen Ebenen.

Eng verbunden mit dem Eichsfeld ist der Musikverein Bakum. Zahlreiche Auftritte sorgten immer wieder für Begeisterung. Einer der Höhepunkte im hundertjährigen Bestehen war sicherlich auch die musikalische Begleitung des Besuches von Papst Benedikt XVI in der Wallfahrtskirche Etzelsbach im Jahre 2011.

Solidarnocz 1977, kath. Kirche Polen, Johannes Paul II. und die Folgen daraus sprechen für sich.

Eine Erstkommunionfeier war wohl nach Auffassung des DDR-Regimes verdächtig nahe am illegalen Verhalten -  durch unerwünschtes Besorgen eines Kommunionkleides, Tarnung der Suche nach Adressen durch angeblichen Luftballonflug und die daraus zufällig entstandene Pflege einer Brieffreundschaft  der jungen Mädchen aus Vechta, Bakum und Beuren.

Jetzt – 30 Jahre – später erkenne ich zum ersten Mal, dass die Geschichte von dem „Luftballonwettbewerb aus dem Westen“ erfunden wurde. Nur um die Beschaffung eines Kommunionkleides in Beuren zu verschleiern bzw. erklären zu können. Jeder kann sich vorstellen welche Sorgen, Ängste, Hoffnungen und Bedrängnisse in Köpfen der betroffenen Personen herumschwirrten.

Dank der Recherche von Günter Feldhaus im August 2020 wissen wir jetzt, dass private Beziehungen zwischen Frau Martha von Lehmden – genannt Martel - aus Vechta über das Bonifatiuswerk Paderborn die Bekanntschaft mit Beuren erst in Gang gebracht hat. Ein Dankbrief von Frau Regina Göbel aus Beuren bestätigt die gute Tat.

Brief der Frau Regina Göbel aus Beuren an Frau Martel Elsner in Vechta

Jetzt nach 30 Jahren erfahren wir weitreichende Veränderungen in unseren  Kirchen. Die Gotteshäuser in Bakum und Beuren werden viel weniger besucht. So ein Hochamt, so ähnlich wie damals 1990, mit vielen Menschen aus dem Ort – sozusagen ausverkauft – in St. Pankratius in Beuren und in St. Johannes Baptist in Bakum mit allen Glocken, viel Weihrauch, Hymnen, Orgel und... da möchte ich noch mal dabei sein.

Ein weiterer Baustein unserer Freundschaft ist meines Erachtens auch die Haltung der Menschen beim Singen des Eichsfeldliedes. Die Eichsfelder, die ich in den vergangenen 30 Jahren kennengelernt habe, singen die 5 Strophen alle auswendig. Da haben  wir Südoldenburger noch etwas Luft nach oben. Alle 5 Strophen sind am Ende des Beitrages zu finden.

Corona hat uns nun gezeigt was wir alles nicht brauchen. Zum Beispiel Fliegen nach Australien um Känguruhs beim Queren von Autobahnen zu beobachten. Das geht auch in Övermanns Zoo in Calveslage.

Was wir brauchen sind Beziehungen – zu Menschen – in Beuren.

Heinrich Mählmeyer war am 3. Oktober 1990 mit seiner Videokamera dabei und hat das Filmmaterial dem Heimatverein Bakum zur Verfügung gestellt. Ein Zeitdokument für Jahrzehnte.

Weitere Auswahl von Bildern mit Begnungen von gemeinsamen Besuchen in Beuren und Bakum

Der Text des Eichsfeldliedes stammt von Hermann Iseke, einem bekannten Eichsfelder Heimatdichter

 

Bist du gewandert durch die Welt,

 Auf jedem Weg und Pfade,

 Schlugst auf in Nord und Süd dein Zelt,

 An Alp und Meergestade:

 Hast du mein Eichsfeld nicht geseh'n

 Mit seinen burggekrönten Höh'n

 Und kreuzfidelen Sassen,

 Dein Rühmen magst du lassen!

 

Dort, wo die junge Leine fließt,

 Die Unstrut wallt zu Thale,

 Der Hülfensberg die Werra grüßt,

 Der Ohmberg seine Hahle,

 Die Wipper flutet durch die Au:

 Landauf, landab welch feine Schau

 Auf Thal und Hügelketten

Und schmucke Siedelstätten!

 

Beut auch die Scholle ihren Sold

 Oft karg der Müh', dem Schweiße:

 Nur frischer durch die Adern rollt

 Das Blut bei frohem Fleiße!

 Und ist die Welt nicht breit und lang?

Hinaus mit Reff und Arbeitsdrang!

 Es zollt auch fremde Erde

 Das Gut dem heim'schen Herde!

 

Dem Herd, an dem in frommer Zucht

 Die treue Gattin waltet

 Und Kindern, gleich des Ölbaums Frucht,

 Die Händchen betend faltet;

 Dem Haus, wo noch der Herrgott gilt,

 Und nicht nur, was den Magen stillt,

 Wo felsenfester Glaube

 Die Blicke hebt vom Staube.

 

Eichsfelder mit Frohwanderblut

 Und liederreicher Kehle,

 Heim, heim steht all dein Herz und Mut,

 Dein Sinn und deine Seele,

 Heim, wo das Kreuz vom Hügel ragt

 Und dir von Gottes Liebe sagt!

 Schlägt deine letzte Stunde,

 Es sei auf Eichsfelds Grunde!

Auch zum 30. Jahrestag war eine Fahrt mit 30 Personen an diesem Wochenende 3. u. 4. Okt. 2020 ins Eichsfeld geplant. Diese Fahrt fällt kurzfristig wegen der Corona-Pandemie aus.


Fotos: Archiv Heimatverein Bakum und Georg Rosenbaum




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